Farangis G. Yegane: Deskription zu den Installationen im Kreuzgang des Karmeliterklosters 1994

Leporello zu Objekten; Begleittexte: Zum Beispiel Mithras von Farangis Yegane. PDF


Die Tauroktonie des Urstiers im Mithraismus; die Kreuzigung Christi. Farangis G. Yegane.

Farangis G. Yegane: Deskription zu den Installationen im Kreuzgang des Karmeliterklosters 1994, Frankfurt / Main.

Die Künstlerin Farangis Yegane reaktiviert mit ihren Arbeiten – große Bilder und Installationen ausgehend vom römischen Mithraskult – in ihrer Ausstellung ZUM BEISPIEL MITHRAS neue Gedankengänge zu religiösen Glaubensritualen. Der Opfertod in religiösen Riten, beispielsweise in dem Mysterium des Mithraskultes (Stiertötung), wie auch in den Riten der abrahamitischen Religionen, im Judentum, Christentum und Islam, steht als Blutopfer für Heilserwartungen. Im Sterben und Verbluten beginnt die rituelle Verwandlung: aus Tod entspringt neues Leben.

Der große weiße Stier, entworfen von der Künstlerin als begehbare Holzskulptur, steht als Mittelpunkt dieses Ausstellungsprojektes. Der Ausstellungsbesucher wird beim Eintritt in den dunklen Tierbauch plötzlich rot beleuchtet als symbolischer Akt einer Blutübergießung. Dann beginnt der dumpfe Herzschlag des Tieres, der ruhig einsetzt und sich steigert wie in Todesangst, und dann plötzlich abbricht: jetzt ist der Stier im Opfertod verendet. Mit der rotflackernden Lichterkette legte die Künstlerin eine Verbindung vom Stier aus zum Kultbild des Mithras (ein Fundstück aus Frankfurt-Heddernheim) ins Archäologische Museum. Als Leihgaben von diesem Museum wurden in der Ausstellung drei Objekte gezeigt: eine Steinplastik, welche die Felsgeburt des Mithras darstellt, eine Steinplastik der Figur des Fackelträgers Cautopates, sowie ein römischer Altar, auf dem während der Ausstellung eine Schale mit brennendem Weihrauch stand.

Drei große Bilder in Form von Diptychon und Triptychon, wie diese Methode aus der Ikonenmalerei bekannt ist, zeigen Darstellungen von Opfertod und Blutritualen. Bei dem hochformatigen Triptychon ist der gekreuzigte Christus zu sehen, ebenfalls als blutendes Opfer, wie der darunter liegende Stier des Mithraskultes. Das große dunkelblaue Triptychon zeigt die Vorstellung der Himmelsunendlichkeit mit blutendem Stier als mittleres Bild. Beim Diptychon ist auf dem linken Bild der Kultraum im Mithräum, nach Darstellung auf einem römischen Medaillon, zu sehen. Auf dem rechten Bild liegt ein rotgefärbter Mann als Empfänger eines Blutrituals. Als zweites Raumobjekt entwarf die Künstlerin eine hohe schwarze Treppe, auf der die Stufen mit den sieben Weihegraden im Mithraskult weiß beschriftet sind. Zur Symbolisierung der Präsenz heutiger religiöser und weltlicher Hierarchien sind vor der Treppe die Grade der militärischen Ordnung und oberhalb der Treppe die der katholischen Kirche auf Schrifttafeln gezeigt.

Das zweiteilige Wandobjekt ist gestaltet wie zwei große Gebotstafeln göttlicher Ordnung. Sie sind bedeckt mit braunem Torf und zeigen im oberen Teil der rechten Tafel ausgeschnitten die Form der Sonne und im oberen Teil der linken Tafel die Form des Mondes. Bei Annäherung an das Objekt beginnt das Lichtspiel. Im Wechsel leuchten Sonne und Mond auf und verdunkeln wieder. Es ist der tägliche langsame Ablauf von Sonnenlicht und Mondlicht als Sinnbild der kosmischen Ordnung. Nach jedem Tag-Nacht-Lichtwechsel blitzt zwischen den Tafeln ein grellrotes Licht in Form eines senkrechten Stabes auf, was an ein Warnsignal erinnert: hier ist der Ablauf der kosmischen Ordnung gestört! Wenn Menschen im kosmischen Ordnungssystem Störungen verursachen, gefährdet das alles Leben auf unserem Planeten.