Payam Nabarz: Mithraische Symbole im Werk von Farangis Yegane

Mithraische Symbole im Werk von Farangis Yegane

Payam Nabarz

In dieser griechisch-römisch-persischen Sternenreligion sieht man die Seele des Individuums als herabgekommen von den sternernen Himmeln zur Erde, und zum Zeitpunkt des Todes tritt die Seele wieder ihre Reise hinauf zum Firmament an. Eine Vision, die der biblischen Vision der Jakobsleiter ähnelt. Das initiatorische System gestattete es dem Neophyten [dem neu Geweihten] sich mit dem Kosmos vertraut zu machen und die ‚Wegweiser’ der Sterne kennenzulernen. Diese sollten ihm dabei helfen, dass seine Rückreise glatter ablaufen würde und er den Zustand einer Henosis (eine Vereinigung mit dem Göttlichen, der Quelle) erlangen würde. Der höhlengleiche Tempel (das Mithräum) war eine Abbildung des Universums; hier durchschritt der Initiierte die Stufen verschiedener planetarer Grade und erfuhr von den Konstellationen und deren Bedeutungen.

In dem Objekt Treppe sehen wir die planetaren Initiationsgrade, die zum mithraischen Himmel führen:

⊕ Merkur (Corax / Rabe)
⊕ Venus (Nymphus / Bienenpuppe oder Bräutigam)
⊕ Mars (Miles / Soldat)
⊕ Jupiter (Leo / Löwe)
⊕ Mond (Perses / Perser)
⊕ Sonne (Heliodromus / Sonnenläufer)
⊕ Saturn (Pater / Vater)

Der erste Grad ist der Corax, von ihm an aufwärts geht es bis zum siebten Grad, dem Pater als der obersten Rangstufe.

In den Exponaten Mithras tötet den Stier, Wind und Das Opfer in den abrahamitischen Religionen erkennen wir die zentrale Ikonographie des Mithraismus. Dies ist die ‚Tauroktonie’ oder Stiertötung, die eine Darstellung des Nachthimmels war. Nicht zuletzt eignet sich die Gebäudestruktur des Mithräums dazu, alle Symbole des Makrokosmos mit einzubeschließen. Eines der mithraischen Mysterien ist die Vorstellung, dass die Stiertötungszene eine Darstellung der Konstellationen Perseus (Mithras), Taurus (dem Stier), Canis Minor (dem Hund), Hydra (der Schlange), Corvus (dem Raben) und Scorpio (dem Skorpion) ist. Die Weizenähre ist der Stern Spica (der größte Stern in der Konstellation Virgo); die Stelle an der das Kurzschwert in den Hals des Stieres eintritt sind die Plejaden; das lebensspendende Blut des Stieres ist die Milchstraße. Hier wird der initiierte Miles übergossen mit dem Blut des Stieres, als dem Seelenweg der Milchstraße, gezeigt. Der Miles wird so gerettet und erreicht den Himmel – dies steht in vergleichbarer Weise zum Blute Christi das die Gläubigen errettet. Der Mithras der den Schöpfungsstier tötet, erscheint am Beginn der Zeit und dies war nicht ein Opferritual das wiederholt werden sollte durch das Töten echter Stiere in den Tempeln.

In den Bildern Der Sonnenzyklus und Cautes und Cautopates am Feuer sehen wir die zwei Fackelträger Cautes und Cautopates, die die Tagundnachtgleichen (Equinox) symbolisieren. Cautes’ Fackel ist aufwärts gerichtet: sie stellt die Tagundnachtgleiche des beginnenden Frühlings dar. Und Cautopates richtet seine Fackel abwärts: dies steht für die Tagundnachtgleiche des Herbstes. Die Stationen der Sonne rund um das Jahr werden gekennzeichnet und beobachtet.

Das Thema weitet sich aus in den Ausstellungsstücken Opfertier und in der Täufling.

Diese Schlüsselbilder, die sich auf die zentrale Tauroktonie-Szene beziehen sind wichtig, da sie eine Anspielung auf den Schöpfungsmythos beinhalten. Zum Zeitbeginn bittet die Sonne Mithras darum den Urstier zu töten, doch Mithras gehorcht nicht auf Anhieb. Der Rabe, der Botschafter der Sonne, kommt nun zu ihm, um ihm erneut die Botschaft der Sonne zu überbringen. Mithras geht daraufhin hinaus in das Feld und fängt den Stier, indem er ihn mit aller Kraft bei den Hinterbeinen packt, über seine Schulter wirft und zur Geburtshöhle schleppt. Der zunehmende Mond, den wir im Sonnenzyklus sehen, der Stier und sein gebogenes Horn, symbolisieren die Verbindung des Stieres mit dem Mond. Als Mithras den Stier tötet, ergießt sich aus seinem Blut Wein, und all die Pflanzen, die die Erde bedecken. Seine Schwanzspitze wird zur Ähre, die uns unser Brot liefert. Die Samen und die Genitalien des Stieres werden zur Mondgöttin getragen und gereinigt und aus ihnen entstehen alle Tiere. So kommt duch die Tötung des Urstieres das Leben in die Welt. Wegen einer Dürre jedoch gedeiht das neue Leben auf der Erde nur sehr langsam. Als Mediator zwischen dem Himmel und der Erde wird Mithras dazu aufgefordert, das Problem zu lösen; dies nun ruft einen Konflikt mit der Sonne hervor, die das Land durch ihre Hitze verbrannt hat. Der Kampf zwischen Sol (der Sonne) und Mithras endet damit, dass Mithras die planetare Sonne besiegt und selbst zur unbesiegbaren Sonne wird.

Das Symbol und das Konzept des lebensspendenden Blutes und der Errettung, wird weiter in den Bildern Opferkelch und das Opfer in den abrahamitischen Religionen dargestellt.

Mithras wird auch in dieser Form angesprochen: „Und Du errettest uns, nachdem Du das ewige Blut verschüttet hast.“ Er wird als der Kosmokrator (der Herrscher über den Kosmos) bezeichnet und er bestimmt die Bewegungen der Erde und den Lauf der Jahrerszeiten. Man ordnet ihm die Zahl 365 zu, die Anzahl der Tage eines Kalenderjahres. In der Durchführung ihres hermetischen Aufstiegs durchliefen die mithraischen Initiaten astrale Reisen und bereiteten sich auf ihr letztendliches Ziel vor: die Rückkehr zur Milchstraße (dem Blut des Schöpfungsstieres). Das Prinzip des Aufstiegs ist die Umkehrung des Geburtsprozesses auf die Erde. Die Seelen finden ihren Eintritt über die Konstellation des Krebses, dem Punkt der Genesis, und sie gehen hinfort über die Konstellation des Steinbocks, dem Punkt der Apogenesis. Die auf das neoplatonische basierenden Ideale bilden den Hintergrund für die Vorstellung des Aufstiegs der Seele über die planetaren Sphären: Eine initiatorische Reise zur Reinigung der in der Menschheit verborgen liegenden göttlichen Aspekte von der Berührung mit der Materie bei der Geburt.

Übersetzung aus dem Englischen: Gita Yegane Arani-May.

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